Burg Meersburg
Das alte Schloß
Auf der Burg haus' ich am Berge
Unter mir der blaue See,
Höre nächtlich Koboldzwerge,
Täglich Adler aus der Höh',
Und die grauen Ahnenbilder
Sind mir Stubenkameraden,
Wappentruh' und Eisenschilder
Sopha mir und Kleiderladen.
Schreit' ich über die Terrasse
Wie ein Geist am Runenstein,
Sehe unter mir die blasse
Alte Stadt im Mondenschein,
Und am Walle pfeift es weidlich,
- Sind es Käuze oder Knaben? -
Ist mir selber oft nicht deutlich,
Ob ich lebend, ob begraben.
Mir genüber gähnt die Halle,
Grauen Thores, hohl und lang,
Drin mit wunderlichem Schalle
Langsam dröhnt ein schwerer Gang;
Mir zur Seite Riegelzunge,
Ha, ich öffne, laß die Lampe
Scheinen auf der Wendelstiege
Lose modergrüne Rampe.
Die mich lockt wie ein Verhängnis,
Zu dem unbekannten Grund;
Ob ein Brunnen? ob Gefängnis?
Keinem Lebenden ist's kund;
Denn zerfallen sind die Stufen,
Und der Steinwurf hat nicht Bahn,
Doch als ich hinab gerufen,
Donnert's fort wie ein Orkan.
Ja, wird mir nicht baldigst fade
Dieses Schlosses Romantik,
In den Trümmern, ohne Gnade,
Brech' ich Glieder und Genick;
Denn, wie trotzig sich die Düne
Mag am flachen Strande heben,
Fühl' ich stark mich wie ein Hüne,
Von Zerfallendem umgeben.
(Annette von Droste-Hülshoff: Das alte Schloß, 1841/42)
"Mein Thurm ist köstlich, d.h. meinem Geschmacke nach einsam, graulich, – heimliche Stiegen in den Mauern – Fensterscheiben mit Sprüchen von Gefangenen eingeschnitten – eine eiserne Thür die zu Gewölben führt wo es Nachts klirrt und rasselt – und nun drinnen mein lieber warmer Ofen, – mein guter, großer Tisch mit Allem darauf, was mein Herz verlangt, Bücher, Schreibereyen, Mineralien, – und als Hospitant mein klein Kanarienvögelchen, das mir aus der Hand frisst und die Federn verschleppt. O, es ist ein prächtiges Ding, der runde Thurm! ich sitze darin wie ein Vogel im Ey, und mit viel weniger Lust heraus zu kommen..."
(Annette von Droste-Hülshoff, 1844)...